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BLOG: Schule während der Corona Zeit - Ein kritischer Artikel eines Gymnasium Oberstufen Schülers

Schule während der Corona-Zeit

Eine Komödie in noch unabsehbarer Anzahl von Akten

 

Als sich auf dem ganzen Globus die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete, dass ein bis dato unbekanntes Virus unsere Welt, wie wir sie bislang gekannt hatten, nachhaltig auf den Kopf stellen werde, machte sich überall Panik breit. Wirklich überall? Nein, zumindest wir Schüler konnten unser Glück zu Beginn kaum fassen: Denn, wenn ein brandgefährliches Virus dort draußen sein Unwesen treibt, ist es „leider“ unmöglich, eine Bildungseinrichtung gemäß den alten Manieren zu besuchen. Unsere Freude über die etlichen Wochen an vermeintlich gewonnener Ferienzeit war von solchem Ausmaß, dass sie all unsere Sorgen und Bedenken bezüglich des Virus überschattete. Doch wie alle guten Dinge währte auch dieses Glücksgefühl nur ausgesprochen kurz.

 

Es fing schon damit an, dass wir alle die Auswirkungen der Selbstquarantäne unterschätzt hatten. Jeder gute Lehrer weiß nämlich, welch unersetzbar wichtige Effekte eine funktionierende Klassengemeinschaft mit sich bringt. Die Schüler machen sich motivierter und damit produktiver an die ihnen aufgetragenen Aufgaben heran, das Lernen geht ihnen schneller und leichter von der Hand. Nichtsdestotrotz wurde das Arbeitspensum nicht etwa weniger, im Gegenteil, es wuchs sogar noch beträchtlich, da im Homeschooling, oder zumindest der österreichischen Interpretation davon - sofern sie überhaupt diese Bezeichnung verdient - der persönliche Kontakt zu den Lehrern weitestgehend entfällt und somit alles schriftlich fixiert werden muss – sogar im Tele-Turnunterricht. Und wenn sich einmal ein Lehrer dazu erbarmt hatte, eine Videokonferenz abzuhalten, ließ wieder die Koordination zu wünschen übrig. So bekamen wir wiederholt Termine vorgeschlagen, an denen wir bereits mit anderen Lehrern eine Sitzung vereinbart hatten – in Zeiten von WebUntis, Webkalendern und Co eine mehr als dürftige Leistung. Jedoch gilt es zu erwähnen, dass es - wie so oft - lobenswerte Ausnahmen gab, die sich regelmäßig (ein- bis zweimal pro Woche) mit uns Schülern trafen, die Hausaufgaben verglichen, dabei etwaig auftauchende Fragen beantworteten und uns neuen Stoff in sanften Dosen und genauestens erklärt vermittelten.

 

 

Doch auch diese vorbildlichen Pädagogen konnten nicht über eine gravierende Problematik hinwegtäuschen: Es kamen einfach viel zu viele unterschiedliche, zum Teil sogar gänzlich ungeeignete und bezüglich des Datenschutzes zumindest heikle Tools zum Einsatz, besonders zu Beginn. Ganz am Anfang wurde den Lehrern empfohlen, auf den WebUntis Messenger (eigentlich nur eine andere Benutzeroberfläche für den Grape Messenger) zu setzten, da er mit vorbildlichem Datenschutz und nahtloser Integration in die WebUntis-Stundenplansoftware aufwarten konnte. Nun trug es aber zu, dass diese Chat-Plattform im Regelbetrieb nur äußerst zaghaft verwendet wird, dementsprechend dürftig war die dahinterliegende Server-Infrastruktur dimensioniert. Es kam also, wie es kommen musste: Schon in den Tagen vor dem Lockdown, in denen die Lehrer und Administratoren unter Hochdruck alle Gruppen und Kommunikationskanäle einrichten mussten, die es nun mal braucht, um die Schüler mit Aufgaben bombardieren zu können, wurde die App von massivsten Stabilitätsproblemen geplagt, bevor sie wenige Tage nach Einführung des Heimunterrichts komplett den Dienst verweigerte. Es dauerte Wochen, sogar ein ganzes Monat, bis wieder alles annähernd rund lief. Verständlich, dass die Lehrer in der Zwischenzeit schon längst auf Alternativlösungen umgesattelt hatten. Eine davon war die alte und unsicherer, aber leider omnipräsente E-Mail. Auch WhatsApp stand sehr hoch im Kurs und wurde oft im Tandem mit der E-Mail verwendet: Oft erhielten wir die Arbeitsaufträge in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe und mussten die Resultate über E-Mail abgeben.

 

 

Warum nicht gleich alles entweder über WhatsApp oder E-Mail? Sogar Discord, eigentlich eine Gaming-Plattform (mehr brauche ich, glaube ich, nicht zu sagen), wurde in einem Fach ebenso verwendet. Wie man sieht, herrschte wieder der Inbegriff von purem Chaos, jeder verwendete das, was er gerade in die Finger bekommen und das den vorgesehenen Einsatzzweck einigermaßen erfüllen konnte. Dazu trug auch nicht gerade bei, dass das Bundesministerium nicht im Entferntesten daran gedachte hatte, Weisungen oder Empfehlungen auszusprechen. Zum Ende hin lichtete sich aber glücklicherweise der Nebel im Plattformen-Dschungel, denn MS Teams, das primär für die Kollaboration in großen Unternehmen konzipiert wurde, kristallisierte sich als die geeignetste Plattform heraus. Das war auch nicht gerade das Schlechteste, was hätte passieren können, denn es gelang ihm am besten, alle Bedürfnisse einer Schule in bequem nutzbare und leicht zugängliche Funktionen zu gießen und zu einem einzigen Universal-Tool zusammenzuschweißen. Endlich gehörten die zuvor allgegenwärtigen Medienbrüche der Vergangenheit an. Dennoch löste sich nicht alles in Wohlgefallen auf, denn nicht jeder Lehrer setzte MS Teams auch wirklich ein. In einem besonders prekären Fall hatte ein Englischlehrer den genialen Einfall, unser schulinternes MediNAS, eine Ablage für Dateien, für die Abgabe der Aufgaben zu verwenden. Grundsätzlich ist das sogar eine sehr gute Idee, denn dieses NAS wird in unserer Schule On-Premises gehostet, ist also in Sachen Datenschutz den anderen Diensten um Lichtjahre voraus.

 

 

Doch an der Umsetzung hakte es gewaltig: Alle Abgaben befanden sich in einem Ordner, dessen Unterordner und alle darin befindlichen Dateien für jeden, also die gesamte Schule, einsehbar waren. Es wäre also ein leichtes gewesen, nachzusehen, wer welche Note auf welchen Text, Test, etc. und welches Feedback derjenige erhalten hatte. Doch damit nicht genug: Alle, damit meine ich wieder die gesamte Schule, hatten Schreibzugriff auf alle Dateien. Man hätte also Texte löschen oder so abändern können, dass dadurch der Lehrer oder jemand anderes beleidigt wird - oder gleich komplett allen Lese- und Schreibzugriff entziehen können. Der Schuldige lässt sich dabei schwer ausfindig machen, denn es wird nicht etwa aufgezeichnet, wer Dateien oder Ordner veränderte, sondern einzig und allein, wer die Datei erstellte hatte. Von Datenschutz kann also nicht wirklich die Rede sein.

 

 

Doch auch die besten Tools sind nur so gut wie die Person, die sie einsetzt. Und man kann als denkender Mensch beim besten Willen nicht unsere Lehrer, von denen die Großzahl jegliche Hilfsmittel zur digitalen Augmentation des Unterrichts als „unnötige Spielereien“ verlachte und verkannte, als Weltmeister im Homeschooling bezeichnen. Während in Dänemark, als der Lockdown und die damit einhergehenden Schulschließungen verkündet worden waren, jeder aufgrund der außerordentlich gut ausgebauten digitalen Schullandschaft gleichgültig mit den Schultern zuckte, belegt Deutschland gerade noch den vorletzten Platz (vor Uruguay) in der weltweiten ICILS-Studie in Bezug auf den Einsatz von digitalen Medien im Schulalltag. Obwohl Österreich in der Studie keine Erwähnung findet, kann es nicht viel besser in diese Richtung aufgestellt sein, wenn man Berichte aus diesen beiden Ländern hinsichtlich des Homeschooling vergleicht. Da kam doch die Corona-Krise gerade recht, um für frischen Wind in der angestaubten Schullandschaft zu sorgen, oder? Nein, denn an der grundsätzlichen Einstellung hat sich auch dadurch nichts grundlegend geändert: Jeder Lehrer, den ich kenne, wartet schon sehnsüchtig auf das Ende dieser Phase, damit endlich wieder alles zur „Normalität“ zurückkehrt und man nicht mehr gezwungen ist, sich mit all dieser Technik auseinanderzusetzen. Diese musste nämlich schnell einsatzbereit gemacht werden, und durch Hast entstehen Fehler, und durch fehlerhafte Software macht man sich nicht gerade zufriedene Anwender. Für die meisten Pädagogen bedeutete die Corona-Zeit also vor allem eines: Ein Hindernisparcours durch halbgare, mit brennender Nadel gestrickte E-Learning-Lösungen, wobei sich die Lage nur sehr zögerlich verbesserte. Wenn auch in Zukunft nicht mehr wert auf einen digitalen Schulalltag gelegt wird, so werden all die Fundamente dafür, die jetzt mühsam gegraben wurden und nach wie vor werden, genauso schnell verschwinden, wie sie gelegt wurden.

 

 

Natürlich ist mir bei alledem bewusst, dass virtuelle Unterrichtsstunden allein und kaum persönlicher Kontakt zu anderen Schülern und Lehrern nicht der Weisheit letzter Schluss sein können. Wer möchte bitte bis zum Ende seiner schulischen Laufbahn zu Hause in aller Einsamkeit wie ein Roboter die ihm aufgetragenen Aufgaben abarbeiten, die zumindest während der coronabedingten Schulschließungen eher einer Beschäftigungstherapie ähnelten als sinnvollen, bildenden Arbeitsaufträgen, die sie eigentlich hätten sein sollen? Das Bild des Arbeitsroboters wird durch einen Lehrer ganz besonders bestätigt, der uns im Großen und Ganzen mit sinnvoll dosierten und durchdachten Aufgaben versorgte, uns dafür aber ganz selten bis nie Rückmeldungen gab. Als der Schichtbetrieb an unserer Schule wieder begonnen hatte, stellten wir ihn zur Rede. Seine Antwort war so einleuchtend wie empörend: Er habe einfach nicht genügend Zeit gehabt, unsere Aufgaben durchzusehen, wir müssten verstehen, er habe so viele E-Mails am Tag bekommen, es sei zu aufwendig gewesen, alle durchzusehen und sogar noch zu beantworten? Ernsthaft?! Für ein Aufgabenpaket hat man immerhin doch circa 30 Minuten aufwenden müssen, und zum Dank hat er es sich nicht ein einziges Mal durchgelesen? Ich habe es noch deutlich vor mir, wie die Lehrer kur vor den Schulschließungen gepredigt hatten, dass wir uns ja unsere Zeit gut einteilen müssten, und dann ist ein Angehöriger ihrer eigenen Zunft zu inkompetent für ebendies? Er hätte nur das Pensum verringern und/oder die Intervalle zwischen den Aufgaben verlängern müssen, und schon wäre das Problem gelöst gewesen. Vorfälle wie diese sind nicht förderlich für eine Klassengemeinschaft, wenn man bedenkt, dass im Idealfall auch der Lehrer in diese eingebunden ist. Aber gerade in diesen Zeiten sollte man großen Wert auf eine gute Gemeinschaft legen: Denn nur gemeinsam ist man stark, nur gemeinsam bewältigt man solch eine Krise.

 

 

Benedikt Neumayr, 6. Schulstufe, Gymnasium Zwettl

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